Schon als Kind habe ich auf der 2-manualigen Solina mehr oder weniger talentiert für Omma den "Schneewalzer" und für den Oppa den "Gruß aus Kiel" georgelt ---
" Vadder, jetzt horsch doch, wie scheee der Bubb spiele kann !! "
aber auf der "richtigen" Orgel klassische Musik interpretieren war schon immer mein Herzenswunsch. Leider war der Trend in den 70er Jahren eher Schlager und Volksmusik - und das wollte man von mir hören. Schlagartig verlor ich das Interesse am Orgelspielen und die Kiste wurde verkauft. Das war auch gut so.
15 Jahre später kam ich per Zufall zu einer Dereux Kirchenorgel mit elektrostatischem, halbmechanischem Generator, leider ohne Pedal.
Nachdem das Teil in den dritten Stock gewuchtet und ein Pedal aus Dachlatten und Stuhlwinkeln zusammengenagelt war konnte es also los gehen. Der Klang war recht ordentlich und die Orgel funktionierte viele Jahre trotz der vertrackten Konstruktion zuverlässig, bis lästige Kontaktprobleme überhand nahmen .
Die nächste Orgel sollte dann schon eine zeitaktuelle Technik zur Grundlage haben. Ich entschied mich für die Ahlborn Studio Line SL227 mit einem Expander aus dem gleichen Haus (franz. romantisch disponiert). Mit zwei 32' Registern vom Expander konnten nun mühelos Anlage und Boxen an die Grenze gebracht werden. Der Klang war unbeschreiblich besser als alles bisher fabrizierte...
2011 entdeckte ich bei Ebay eine Ahlborn Hymnus 28D mit schickem Gehäuse und Holzmanubrien zum unschlagbaren Preis und griff sofort zu - die Alte gab ich in Zahlung. Leider erwies sich die Elektronik als (temperatur-) anfällig und die Sampling Technologie war eine Generation älter als die meiner meiner Vorgängerorgel SL227 (ich fand den Klang der Hymnus trotzdem besser). Mit Schaltplan, Lötkolben und Geduld brachte ich mehrere 100 Lötstellen und zig wackelige Steckkontakte in den Griff und einige Jahre ungestörten Betrieb.
Im vergangenen Jahr reifte bei mir der Entschluß, eine PC-basierte Orgel auf Grundlage des Hauptwerk Softwarsamplers zu bauen. Für den Spieltisch kam nur ein Eigenbau in Frage. Pedal und Bank sowie die Fußschwellereinheit mit den 4 Fußschaltern wollte ich aus der Hymnus 28D übernehmen. Nach dem Kauf der Hauptwerk IV Software und des Sampleset der 4 manualigen Scotts Rieger Orgel aus Melbourne ging es primär um die Hardware: als Koppler entschied ich mich für die preiswerten Module von Roman Sowa's "Midi-Hardware". Ein leistungsfähiger PC wurde zusammen gestöpselt und mit einem 28" Touchscreen ausgestattet. Die sonst übliche Lösung mit der Bedienung über zwei seitliche Screen wollte ich nicht wählen. Statt dessen wählte ich eine vollständige Ein- Ausgabe über Schalter und Lampenanzeigen. Bei einem Wechsel des Samplesets wird einfach die Beschriftung der Tastenfelder ausgewechselt. Unter dem 1. Manual habe ich mit einem weiteren Tasten- und Anzeigefeld den Hauptwerk Registrierungssequenzer nachgebildet.
Hier ein Bild vor der Fertigstellung der Orgel, noch ohne Abdeckungen:
Der zentrale Bildschirm dient als Notenpult - alle Noten werden gescannt und am Schirm dargestellt. Die Notendateien befinden sich auf einem USB-Stick rechts neben dem Bildschirm. Umgeblättert wird mittels Fußschaltern oder Schaltflächen des berührungsempfindlichen Bildschirms :
Die Notensoftware bietet einen Auswahlbildschirm mit Abbildungen und Auswahlschaltflächen aller gespeicherten Komponisten - von A(lain) bis Z(ipoli):
Nach der Auswahl öffnet sich ein Dateidialog, bei dem das gewünschte Stück oder Notenheft geöffnet werden kann. Das Umblättern kann über zwei große Buttons auf dem Bildschirm oder über zwei Fußpistons erfolgen:
Nach der Entwicklung der Schaltungen wurde zunächst alles mit fliegender Verdrahtung auf Lochrasterplatinen realisiert. Der Hauptwerk Registrierungs-Sequenzer war eine besondere Herausforderung - funktionierte aber auf Anhieb tadellos. Nach einigen Tests habe ich die Schaltungen auf doppelseitige Platinen umgesetzt und von einer Firma anfertigen lassen. Hier ist das Blockschaltbild und die zugehörigen Stromlaufpläne der einzelnen Ein/Ausgabekomponenten:
Das Audiosignal aus dem Roland UA55 Soundmodul schalte ich auf ein Lexicon Digitalhallgerät MX400. So kann ich unterschiedliche Akustiken konfigurieren und umschalten. Das Stereosignal gelang von dort über Kabel zu der Lausprecheranlage, welche aus Tapco 8" Studiomonitoren mit passendem 10" Subwoofer besteht.
Die Software zur Darstellung der Noten habe ich mit Delphi 7.0 geschrieben.
Das Scannen der Noten wird noch viel Arbeit bringen. Doch einiges ist auch im Internet zum Download verfügbar, so dass ich schon eine große Auswahl an Stücken speichern konnte.
Momentan bin ich noch mit der Konfiguration der Fußschweller beschäftigt - und hier tauchen (Anfang 2018) die ersten Probleme auf: die Schaltung funktioniert, das Einlernen der Funktion in die Hauptwerk-Konfiguration ebenfalls, der Fußschweller bewegt sich in der Konsolendarstellung der Orgel, aber die Lautstärke von Echo und Swell ändern sich nicht :-(
Genauso die (z. Zt. lediglich über Poti realisierte) Crescendo Walze:
Die Walze rollt auf dem Bildschirm, der Crescendo-Zähler geht von 1 bis 32, je nach Walzenstellung, aber die Register bleiben unverändert :-(
Mir bleibt nichts anderes übrig, als in dem einen oder anderen Forum mal bei den Hauptwerk-Cracks nachzufragen, was ich dort falsch mache.
Januar 2020
Nach dem Umzug nach Leichlingen habe ich mich entschieden, es mal richtig "krachen" zu lassen. Das Design der Scotts-Rieger Orgel gefiel mir nicht, die kleinen Fehler und häufigen Probleme mit der Registerelektronik kosteten Nerven...kurzum: ich nahm ein wenig Geld in die Hand und redesignte das gesamte Teil komplett. Als Samplesets sollten die gigantische 5manualige Orgel des Palace of Arts (Budapest) (Gravissimo Edition) und die Silbermannorgel des Doms zu Freiberg von Inspired Acoustics dienen. Der zentrale 28" Touchscreen und beidseitige Registerschalter hatten sich bewährt und sollten im Konzept so bleiben. Ein 5. Manual wurde angeschafft, desweiteren eine Crescendowalze und ein 2. Schweller. Und als Wichtigstes sollte endlich ein angemessenes Lautsprechersystem zum Zuge kommen. Als alles (fast) fertig war, hatte sich mein Wohnzimmer in eine Kathedrale verwandelt...
Als Schallwandler habe ich ein Paar "Grand Orgue" von Visaton zusammengebaut + Subwoofer im gleichen Stil, welche sogar noch die beiden 64' Register "Gravissimo" und "Bombarde" übertragen. Die Abdeckungen der Schalterflächen, die Pedalbeleuchtung und ein paar Bedienelemente und 2 MIDI-Displays sind noch nicht installiert. Das Ganze läuft auf Hauptwerk IV an einer Seraph 8 Soundkarte mit nachgeschaltetem Lexicon 200 Digitalhall. Alle MIDI-Komponenten sowie die Walze/Schweller Kombination und die Fußpistons habe ich von Günter Pausch aus Schwäbisch Gmünd (Pausch-e) bezogen und damit hochwertige und zuverlässige Elektronik plus einen kompetenten Support erhalten. Hier ist das Blockschaltbild mit den einzelnen Komponenten und Baugruppen:
Auch das Notenvisualisierungsprogramm wurde überarbeitet und ergänzt. Ich habe aktuell ca. 25.000 Blatt Noten in der Datenbank und es kommen ständig neue Werke hinzu. Mit der Montage der seitlichen Abdeckungen wird der Spieltisch auch in Kürze optisch fertig werden.
Schweiky nun komplett übergeschnappt, wurde wiederholt beim Baumarkt gesichtet, wo er große Mengen Holz in sein Auto wuchtete...
Und das ist nun das Ergebnis:
Sieht doch ganz ordentlich aus... ein Dank an Markus und Christopher, die mir beim Hochwuchten der Teile geholfen haben.
Der Klang kommt nun direkt von vorne und ist sehr realistisch. Hätte nicht gedacht, dass die Grand Orgue durch den geringen hinteren Wandabstand von nur wenigen cm noch gewinnen würden! Jetzt kann man auch schön den Wechsel der Pfeifen von rechts nach links bei einigen Registern der Silbermannorgel hören. Ein paar Engelchen habe ich dann noch spendiert, um dem Kitsch zu frönen... :-)
__________WIRD FORTGESETZT__________